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Yoga vs. Körpertherapie

Manch einer könnte sagen, die Yogapraxis sei eine alte Form der Körpertherapie, aber diese Frage ist so unglaublich komplex, das sie eigentlich gar nicht in einem Post beantwortet werden kann. Deswegen werde ich mich auf meine Erkenntnisse reduzieren und hoffe, damit Licht in diese komplexe Sache zu bringen.

 

Eins steht fest: Es besteht zwischen diese beiden ganzheitlichen Heilmethoden sehr viele Gemeinsamkeiten, aber eben auch Unterschiede. Die Kombination von beiden ist für deine persönliche Transformation jedoch unschlagbar.

 

Beide Ansätze sind somatische Methoden, welche Transformationen insbesondere in deiner Wahrnehmung und Gefühlswelt hervorbringen. Dabei wird Wahrnehmung nicht als mentaler Vorgang gedeutet, sondern als ein zutiefst im Körper verankerter Prozess, der durch das somatische Nervensystem gesteuert wird. Deswegen arbeiten Yoga als auch traumainformierte Körpertherapie auf unterschiedliche Weise mit dem somatischen Nervensystem und bringen uns damit mehr ins FÜHLEN.

 

Die konkreten Techniken dieser beiden Ansätze möchten u.a. angestaute Energien im Nervensystem in Form von Emotionen und Informationsstau (Verdauung, Nahrung, Schlafverhalten, fehlender Rhythmus, Sprache & soziale Konditionierung) ins zirkulieren bringen, um die Homöostase des Systems wieder herzustellen, in der die (Lebens-) Energie zirkulieren kann. Erst dann entsteht ein vollkommen neuer Zugang zum eigenen Sein und seinen Handlungsmöglichkeiten. 

 

Die Grundlage dafür bildet ein energetisches Weltbild (“alles ist Energie”) , was sich u.a. mit der modernen Physik deckt. Dieses Weltbild folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die weder einer Moral noch einer Bewertung unterliegen, sondern einer spezifischen Logik: Zirkulation, Austausch, Kreation.

 

Psychische und physische Krankheit ist demnach nichts weiteres als ein Resultat stagnierter Energiemuster. Dieser Ansatz deckt sich z.B. auch mit ganzheitlichen medizinischen Methoden wie TCM und Ayurveda. 

 

Unverarbeitete, stagnierte emotionale Energie in Form von z.B. Trauma speichert sich insbesondere in den Organen, sowie dem Solarplexus ab (Poly Vagus Theorie). Wir wissen heutzutage auch, das das emotionalen System neurologisch verschaltet ist mit dem Immunsystem, weswegen Trauma eine nicht zu unterschätzende Disposition für chronische Krankheitsmuster ist. 

 

Der Bauchraum und der Solarplexus sind interessanterweise auch der Ort der ersten 3 Chakren - die Orte der energetischen Anhaftung des Karmas. Karma ist eines der wichtigsten philosophischen Konzepte der indischen Tradition und beschreibt das reziproke Ursache-Wirkungsprinzip der Handlungsintentionen deines gegenwärtigen als auch deiner vergangene Leben, welche letztendlich deine Lebensumstände hervorbringen. Es ist das Päckchen, da du trägst. Es ist der Trigger, der dich verfolgt. Es sind die konkreten Lebensumstände, in die du hineingeworfen wurdest als Kind. Karma ist dein Dharma, deine ganz persönliche Heldenreise in die eigene Kraft und Mission. Es ist laut Tantra der Code, der deinen Weg aus der Dunkelheit ins Licht bestimmt. 

 

Im traditionellen Hatha Yoga finden deswegen wir Techniken, welche primär den Bauchraum stimulieren und dessen Karma-Energie im "Agni" verbrennen wollen.

 

Mir kam die Frage in den Sinn, ob sich Karma mit Trauma vergleichen lässt. Es gibt da nämlich gewisse strukturelle Gemeinsamkeiten in den Konzepten Karma und Trauma.

 

Trauma entsteht durch eine hilflose, überlebensbedrohliche Situation, in der die emotionale Energie, welche das Bedürfnis in dieser Situation (Überleben wollen) ausgelöst hat, nicht adäquat verkörpert und ausgeleitet wurde - weil es meistens für den Betroffenen nicht sicher war zu fühlen und sich auszudrücken (fehlende Co-regulation, überlebensbedrohliche Situation ohne Coping-Orientierung). Trauma wird über Generationen hinweg weitergegeben, da es sich in der DNA einspeichert, und definiert die Art und Weise, wie dein Lebensgefühl, deine Handlungsmöglichkeiten und- Intentionen sind. 

 

KARMA macht in gewisser Hinsicht das Gleiche, muss aber auch dringend im Kontext des philosophischen Yoga-Systems gedeutet werden. Denn die fernöstlichen Praktiken der indischen Geistessystem und des Buddhismus haben die Auflösung des Karmas im Fokus, weil erst dadurch "Erlösung" aus dem Kreislauf der Wiedergeburten gelingen kann, was eine ganz andere Bewusstsein-Dimension zum Ziel hat als reine Körpertherapie. Es geht hier letztendlich darum die "Ich-Struktur" zu überwinden, die sich immer nur selbst als getrennt erfahren kann und aus diesem Grund nicht in der Lage sein wird, das Einheitsbewusstein zu entfalten. 

 

Ein weiterer Unterschied besteht in der Art und Weise WIE mit emotionaler Energie umgegangen wird. Denn methodisch arbeiten beide Ansätze zwar mit den Kanälen des Körpers: Atem, Bewegung, Sound, Aufmerksamkeit, Berührung, aber FORMEN diese unterschiedlich. 

 

Der Yoga als philosophisches System ist insbesondere auf die Meditation als Ziel spezialisiert. Dazu braucht es einen stabilen mentalen Geist (Beobachterolle), um mit den höheren Bewussteinsebenen ("Einheit”) in Verbindung zu treten und diese besonderen Wahrnehmungen zu ermöglichen. Die sehr linearen Techniken von Aufmerksamkeit, Atem, Bewegung und Sound zielen darauf ab, Körper  und Bewusstsein in archetypische Muster (physische und psychische Geometrie, Körperhaltungen, Rhythmiken) zu formen, um die Lebensenergie zu lenken. Ziel ist die linke und rechte Gehirnhälfte in ein kommunikatives Gleichgewicht zu bringen. 

 

Dagegen arbeitet trauminformierte Körpertherapie grundsätzlich mit der rechten Gehirnhälfte, da dort der der Autoregulationsmechanismus sitzt, um emotionale Energie zu verarbeiten. Dieser Mechanismus ist Bestandteil jedes Säugetier und wird von der rechten Gehirnhälfte, dem primären Bewusstsein, gesteuert, aber beim Menschen wird dieser intelligente Mechanismus blockiert von der linke Gehirnhälfte, der Sitz der Konditionierung, Sprache und Zeit. 

 

Weswegen dieser Ansatz primär nicht-lineare und formlose Muster von Atem, Bewegung, Berührung und Klang verkörpert, um die rechte Hälfte zu stimulieren: Schreien, Zusammenziehen, hüpfen, schlagen, krampfen, die jeweilige Emotion (Trauer, Wut, Frustration, Scham, Schuld, Selbstmitleid) über das formlose Tönen ausdrücken, formlose nicht lineare Bewegungsmuster und Klangmuster der Emotion entsprechend, produzieren. 

 

Beide Ansätze setzen voraus und trainieren dich, die mentale Geschichte von der emotionalen Energie zu trennen und implementieren nach und nach ein energetisches Weltbild. Aber die spezifische Methodik ist doch sehr unterschiedlich.

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